Donnerstag, 7. Januar 2010

Mein Zwischenbericht

Ein Jahr in der Stadt, in der Wind erfunden wurde.

Mein Zwischenbericht für mein einjähriges Praktikum in Ev. Luth. Kreuzkirchengemeinde in Liepāja/Lettland für den Jahresbricht des GAW Nordelbien.

Vor knapp drei Monaten bin ich in der Stadt, in der der Wind erfunden wurde (so heißt es in der Stadthymne von Liepāja), angekommen. Liepāja liegt direkt an der Ostseeküste und ist die drittgrößte Stadt Lettlands. Lettland ist der mittlere Staat des Baltikums. Ich habe die Chance genutzt und bin mit dem Schiff angereist. In Liepāja wurde ich sofort freundlich empfangen. Zunächst habe ich einen Monat in einem Studentenwohnheim gelebt, ehe ich nun meine eigene kleine Wohnung, nur ca. 200m vom Ostseestrand entfernt, bekommen habe.

In der Gemeinde, in der ich helfe, gibt es „nur“ 92 Mitglieder, die aber fast alle in irgendeiner Weise aktiv sind. So entsteht trotz der klein erscheinenden Mitgliederzahl ein sehr reges Gemeindeleben. Die Gemeinde ist sehr diakonisch ausgerichtet und daher mit der Diakonie vor einigen Jahren zusammengelegt worden. Lettland ist um einiges schlimmer von der Wirtschaftskrise getroffen worden. Es herrscht hier eine Arbeitslosigkeit von über 20% und die Inflationsrate ist auch zweistellig. Gerade in dieser Zeit sind viele Menschen auf Hilfe angewiesen. Mit der Unterstützung von Hilfstransporten, die mehrmals im Jahr hier ankommen, wird hier eine Kleiderkammer betrieben, wo ich auch gelegentlich mithelfe. Dort können alle Menschen kommen und sich kostenlos Kleidung holen. Viele Menschen freuen sich, wenn ich mich mit ihnen unterhalte und sie freuen, dass mein lettisch auch immer besser wird.

Ein Großes Fest in der Gemeinde war das Apfelfest, wo ich auch mithelfen durfte. Hierzu wurden viele Bauern auf dem Land angesprochen, ob sie nicht ein wenig von ihrer Ernte abgeben können. Viele Bauern haben sich beteiligt und das Obst und Gemüse wurde dann auf dem Apfelfest für sehr wenig Geld, eher einen symbolischen Geldbetrag, verkauft. Hier hat die gesamte Gemeinde mitgeholfen und es war erstaunlich, was die Menschen hier auf die Beine gestellt haben.

Ansonsten ist mein Aufgabenbereich in der Gemeinde sehr vielfältig. Was mir hier am meisten Spaß macht und was mich hier auch am glücklichsten macht, ist die Jugendgruppe. Als ich hier ankam, gab es keine Jugendgruppe. Es gab zwar fünf Jugendliche, die alle meinten, sie hätten gerne eine Gruppe, aber es gab Niemanden, der die Sache in die Hand genommen hat. Ich habe dann ziemlich bald ein Wochenende mit einer Übernachtung in der Kirche organisiert, um die Jugendlichen besser kennenzulernen. Zum Abschluss haben wir eine Feedbackrunde gemacht und jeder sollte seine Wünsche für die Zukunft sagen. Daraufhin haben wir eine Gruppe gegründet, die super läuft. Anfangs waren wir nur sechs Jugendliche, die gerne kommen wollten. Das war schade, gerade auch im Bezug darauf, wenn jemand krank ist. Mittlerweile sind wir zu einer zwölfköpfig Gruppe herangewachsen. Alle 2 Wochen machen wir eine Bibelstunde, ansonsten haben wir einen Spieleabend und einen Filmabend mit anschließender Diskussionsrunde. Ich bin sehr zufrieden und ich probiere nun die Gruppe immer selbstständiger laufen zu lassen, damit sie auch, wenn ich wieder in Deutschland bin, weiterläuft.


Einmal in der Woche gebe ich Deutschunterricht. Meine Schüler sind sehr unterschiedlich: Von Schülern, die gerade in der Schule Deutsch lernen über Studenten, die noch gar kein Deutsch können, bis hin zu Erwachsenen und Senioren, die früher in der Schule Deutsch gelernt haben und ihre Kenntnisse wieder auffrischen wollen. Es gibt es einen Kern von ca. zehn Schülern, die regelmäßig kommen, allerdings gibt es auch eine große Anzahl von Schülern, die sehr sporadisch vorbei kommen. Ich probiere deshalb immer kleine thematische Einheiten für drei bis vier Wochen zu machen, so dass jederzeit auch neue Menschen dazu stoßen können. Auch das unterschiedliche Niveau ist kein Problem, weil sich untereinander sehr gut geholfen wird.

Am Sonntag helfe ich immer bei der Sonntagsschule mit. Das ist eine Art Kindergottesdienst, der in ganz Lettland und vor allem in meiner Gemeinde sehr wichtig ist. Ich helfe meist bei der kleinen Gruppe von drei bis neunjährigen Kindern mit. Dort wird anfangs eine Geschichte aus der Bibel anschaulich dargestellt und danach wird gebastelt und gespielt. Ich probiere mich von Woche zu Woche mehr einzubringen, was bei den Kleinen allerdings noch ein wenig an der Sprache scheitert.

Außerdem gibt es hier in der Gemeinde eine Gruppe Rollstuhlfahrer. Zum Einen trifft sich die Gruppe einmal im Monat, wo ich mir immer ein paar Spiele überlege. Es ist gar nicht so einfach sich Spiele für Menschen zu überlegen, die an einen Rollstuhl gebunden sind, zumal ich es sonst nur mit herumtollenden Kindern zu tun habe. Zum Anderen habe ich als Vorbereitung auf das Weihnachtskonzert tanzen gelernt. Ich habe zwar in Deutschland bereits Tanzkurse besucht, allerdings saß meine Tanzpartnerin dabei nicht im Rollstuhl. Bei dieser Tanzgruppe aber sitzt einer von beiden Tänzern im Rollstuhl. Man muss sich viel mehr auf die Tanzpartnerin einstellen, jedoch kann man auch sehen, was man in einem Rollstuhl noch alles machen kann. Wir sind sieben Paare und haben mit Hilfe eines Tanzlehrers Choreografien für Walzer, Tango und Rumba zweimal in der Woche einstudiert.

Natürlich ist das nur ein ganz kleiner Ausschnitt von den vielen Dingen, die hier mache. Bei weiterem Interesse empfehle ich meinen Blog, der ausführlicher von meiner Reise berichtet. www.benjaminroeder.blogspot.com

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit ganz herzlich beim Gustav Adolf Werk und allen Menschen, die mir diese Chance, hier in Liepāja ein Praktikum zu machen, gegeben haben, bedanken.

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